Dienstag, 14. Mai 2013

Gott ist ein Konzept des Gehirns


Spiritualität und Naturwissenschaft – Gott und Gehirnforschung

Oder: „Gott“ ist ein Konzept des menschlichen Gehirns

Andrew Newberg, Radiologe an der University of Pennsylvania in Philadelphia wagt einen Brückenschlag zwischen Naturwissenschaft und Spiritualität.
Der junge Arzt, selbst religionslos, sagt, dass sein Engagement dem Forschertrieb und einem Faible für Philosophie entspringt.
Und so sieht die Versuchsaufstellung aus: ein meditationserfahrener Mann hat in seinem linken arm eine Kanüle ein dünner Schlauch führt unter der Tür hindurch in ein Nachbarzimmer.
Dort wartet Newberg darauf, dass er mittels eines Signals über einen Baumwollfaden vom meditierenden das Zeichen erhält, dass der Höhepunkt der Selbstversenkung erreicht ist.
Nach etwa einer Stunde ist es dann so weit. Als Newberg einen Zug am Baumwollfaden spürt, injiziert er eine sehr leicht radioaktive Substanz in den langen Infusionsschlauch. Die strahlenden Moleküle fließen in die Vene des Probanden und werden rasch in dessen Gehirn weitergeleitet.

Dort bleiben sie in den Zellen für mehrere Stunden aktiv - wobei die Konzentration um so höher wird, je aktiver ein Gehirnteil ist. Nach der Meditation wird die Versuchsperson mittels einer Spect–Kamera (single-photon emission computed tomography) gescannt. Die Spect rotiert um den Kopf des Mannes und zeichnet dabei die Verteilung der Radioaktivität auf. Nach einer Stunde hat man einen "Schnappschuss" der Gehirnvorgänge.

Mit acht weiteren Meditierenden und drei betenden Franziskaner-Nonnen hat Newberg mittlerweile den gleichen Versuch gemacht.
Die Spect-Aufnahmen enthüllten bei allen deutliche Veränderungen. Ein Areal im vorderen Stirnlappen leuchtete hell auf, eine Region im Scheitellappen reduzierte ihre Aktivität.
Newberg stellt folgendes Modell auf: Meditation beginnt mit dem Willen, alle Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen auszuschalten. Die Konzentration auf dieses Ziel regt die Neuronentätigkeit des Aufmerksamkeitszentrums im Stirnbereich des Gehirns an. Dem Hippocampus wird dadurch signalisiert den Zufluss neuronaler Informationen zu bremsen. Durch diese Blockade wird ein Areal im Scheitellappen zunehmend von neuronalen Impulsen abgeschnitten. Das rechte Scheitelareal ist zuständig für unsere Orientierung im Raum. Fehlen ihm die notwendigen Reize, ergibt sich ein „subjektiver Eindruck völliger Raumlosigkeit“, den der Geist als unendlichen Raum und als Ewigkeit interpretiert.
Das analoge linke Hirnareal erzeugt eine Vorstellung von den Begrenzungen unseres Körpers. Der Totalausfall von Signalen auf dieser Seite bedeutet, dass "die Wahrnehmung von sich selbst grenzenlos wird".

Dieser Zustand könnte die mystischen Erfahrungen vieler Menschen erklären, die das Gefühl der Verschmelzung des selbst mit der Welt, die Auflösung von Zeit und Raum hatten; oder aus der Sicht eines Buddhisten: das Nirwana erreichten. (Nirwana: „erlöschen, erfassen, verwehen“ im Sinne einer Auslöschung aller mit der Vorstellung vom Dasein verbundenen Faktoren, wie Ich-Sucht, Gier, Verblendung).
Ähnliche Phänomene kennen Christen wenn sie intensiv beten. Auch der Tanz der Derwische führt zu diesem Trancezustand.

Die scheinbare Auflösung der Körpergrenzen führt so zu einer Vereinigung mit Gott - zu der in Theologie und Philosophie viel diskutierten „unio mystica“ (eine Erfahrung, bei der das Alltagsbewusstsein eines Menschen überschritten wird und eine besondere dauerhafte Einsicht in eine, wie auch immer geartete gesamtheitliche Wirklichkeit erlangt wird – Zitat Wikipedia).
Newberg: „Wenn ein Mensch die Erfahrung der Gegenwart Gottes macht, kann ich sagen, was dessen Gehirn dabei tut; aber ich kann nichts darüber aussagen, ob dieser Mensch sich wirklich in Gottes Gegenwart befindet."
Der Radiologe betont, er habe hier den Nachweis, dass die diversen Beschreibungen spiritueller Erlebnisse "kein Ergebnis emotionaler Defekte oder schlicht Wunschdenken sind", keine mentalen Ausgeburten von Sonderlingen, sondern "biologisch real". Er sagt weiterhin: „Unser Gehirn ist durch seine Architektur prädestiniert für solche Erfahrungen“.

Folglich ist „Gott“ ein Konzept unseres Gehirns – oder „nur“ ein Konzept unseres Gehirns?

Darüber könnte man meditieren...


Thomas Pfitzer
Autor und Coach
Praxis für Leistungscoaching und Menaltraining
Ludwigshafen

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