Dienstag, 13. November 2012

Boreout vs. Burnout


Boreout vs. Burnout?

P. Rothlin (Betriebswissenschaftler) und P.R. Werder (Philosoph und Journalist) definieren in ihrem Buch „Syndrom Boreout“ den Boreout als Gegenteil des Burnout. Ihrer Meinung nach besteht der Boreout aus den Elementen: Unterforderung – Langeweile und Desinteresse.

Boreout-Betroffene haben das Gefühl mehr leisten zu können, aber man lässt sie nicht, bzw. es gibt für sie nicht genügend fordernde Aufgaben. Die Langeweile ist die logische Folge davon, da man nicht weiß, was man den ganzen Tag tun soll. Das steigert die Lustlosigkeit, sich um anspruchsvolle Arbeit zu bemühen. Daraus folgt wiederum ein Desinteresse am Job, da man sich nicht mehr mit der Arbeit identifizieren kann.

Betroffene berichten, dass man sich zunehmend Strategien aneignet, um am Arbeitsplatz den Eindruck zu erwecken, man sei ausgelastet und im Stress. Das dient dazu, sich noch mehr der langweiligen und eintönigen Arbeit vom Hals zu halten und sie auf die Kollegen abzuwälzen.

Boreout hat zwar im ersten Moment nichts mit Faulheit zu tun, da die Mitarbeiter durchaus arbeiten wollen, aber die Folge von Boreout ist Faulheit. Der Mitarbeiter wird faul gemacht.

Die Strategien, die sich gelangweilte und unterforderte Mitarbeiter ausdenken um nicht noch mehr langweilige Aufträge zu erhalten, führen dazu, dass das untätige Absitzen von Stunden noch zunimmt und sich das Boreout-Gefühl verstärkt. Durch das Vortäuschen von Beschäftigung, verhindert der Mitarbeiter selbst, dass sich seine Situation verbessert.

Rothlin und Werder nennen einige der Strategien, die sich Betroffene aneignen.

Flachwalzstrategie:
Die auftretende Arbeit wird unnötig in die Länge gezogen. Zeitrahmen werden unnötigerweise voll ausgeschöpft.

Komprimierung:
Aufgaben werden schnellstmöglich erledigt, aber die Erledigung wird nicht mitgeteilt. So hat man bis zum Abgabetermin viel Zeit für die Erledigung privater Dinge.

Symptome des Boreout Syndroms sind:

  • Müdigkeit
  • Desinteresse
  • Schlechte Laune
  • Leidenschaftslosigkeit
  • Langeweile durch Unterforderung
  • Identifikationsprobleme mit der eigenen Arbeit

Die ständige Unterforderung, das Absitzen von Stunden und das Vorspielen von Stress, führen letztendlich zum Stress. Das Syndrom erscheint häufig bei Arbeitnehmern mit festem, aber zu großzügigem Zeitplan und bei Personen, bei denen durch die Art der Tätigkeit weder Leidenschaft noch Tatendrang geweckt wird.

Soweit so gut. Bis hierhin kann ich folgen. Was aber nun von Rothlin und Werder als Tipps gegen den Boreout gegeben wird, entbehrt nicht einer gewissen Naivität:

Zitat:
Präventive Maßnahme: Üben Sie eine Arbeit aus, die Ihnen Freude bereitet und Ihnen nicht jeden Tag das Gefühl gibt, wieder arbeiten gehen zu MÜSSEN, sondern zu DÜRFEN!

Kommentar:
Wie viele Menschen gibt es wohl, die sich diesen Luxus erlauben können. Wie viele Möglichkeiten ergeben sich aus dem Arbeitsmarkt, eine Tätigkeit zu finden, die weder über- noch unterfordert und die in erreichbarer Nähe ist?

Zitat:
Gesunde Balance finden: Ihre Arbeit sollte Sie weder überfordern (Burnout) noch unterfordern (Boreout). Erledigen Sie deshalb Aufgaben, denen Sie gewachsen sind und an denen Sie gleichzeitig noch wachsen können.

Kommentar:
Das ist doch genau das Problem des Burn- und des Boreouts, dass man sich in den seltensten Fällen die Aufgaben aussuchen kann – weder in Sachen Qualität noch Quantität. Wenn dem so wäre gebe es weder Burnout noch Boreout!

Zitat:
Private Anteile: Auf ihrer Arbeit sollten vor allem eines tun: arbeiten! Sobald ihr Zeitfenster für private Erledigungen fortlaufend zu wachsen scheint, sollten Sie sich mehr herausfordernden Aufgaben widmen.

Kommentar:
Wie auch zuvor schon gesagt, ist dieser Tipp sinnlos, da der Boreout entsteht, weil es keine herausfordernden Aufgaben gibt. Da der Boreout-Betroffene ja nicht faul ist, hätte er sich diese Aufgaben längst geholt, wenn es sie denn gäbe. Der Boreout entsteht ja nicht von heute auf morgen, sondern in einem Zeitraum von mehreren Monaten. War innerhalb dieses Zeitraums keine anspruchsvolle Tätigkeit gegeben, dürfte auch in Zukunft keine kommen.

Zitat:
Identifizierung: Stellen Sie sich regelmäßig die Frage, warum Sie ausgerechnet in diesem Unternehmen arbeiten. Sobald Sie spüren, dass Sie nur wenige oder keine soliden Argumente sammeln können, haben Sie einen Hinweis darauf, dass Sie einem Boreout unterliegen.

Kommentar:
Auch hier kann das Ergebnis nur Kündigung heißen. Doch zuvor muss ein neuer Job gefunden werden. Da wir Menschen aber ca. 70% unserer Entscheidungen aus dem Vermeidungsmodus und nicht aus dem Motivationsmodus heraus treffen, ist die Kündigung und die Jobsuche eine eher seltene Entscheidung. Besonders dann, wenn man sich schon an das Nichtstun gewöhnt hat. Die Untätigkeit fördert nicht gerade das Selbstwertgefühl, sodass Boreout mit zunehmender Dauer dazu führen wird, dass sich der Betroffene nichts mehr zutraut und demnach auch den Job nicht mehr wechseln möchte. Wer zu lange in der Langeweile und Untätigkeit verharrt, wird irgendwann glauben, er könne nichts mehr leisten.
Wer sich zudem in einem sicheren und gutbezahlten System befindet, sollte es sich gut überlegen, das Risiko eines Firmenwechsels einzugehen. Eine Garantie, dass es besser wird, gibt es nicht.

Mein Vorschlag ist ein ganz anderer.
Wie auch schon beim Syndrom Burnout, muss auch beim Syndrom Boreout das Privatleben mit einbezogen werden. Wer sagt denn, dass man beide Syndrome nur am Arbeitsplatz bekämpfen kann?

Viele Burnout-Patienten haben das Problem, dass ihnen das Privatleben so wenig Glücksmomente und Spaß bietet, dass der Arbeitsstress nicht abgefangen werden kann. Zudem gibt es auch in der Freizeit und in der Familie Stressfaktoren, die die Lage verschlimmern, da man die negativen Emotionen von einem System in das nächste trägt. Die gegenseitige Beeinflussung verschiedener Systeme (Hobby, Freundeskreis, Familie und Beruf) führen zu einer Stress-Spirale, die an irgendeiner Stelle unterbrochen werden sollte. In welchem System man die Spirale unterbricht, ist vorerst zweitrangig. Wichtig ist, dass überhaupt etwas geschieht und man erkennt, dass man es selbst in der Hand hat, etwas zu verbessern. Nur so kann man die Opferebene verlassen.

Wir füllen unser Privatleben zunehmend mit unkreativen Tätigkeiten aus. Untersuchungen zeigten, dass Fernsehen Stress fördert. Je größer die Anzahl der Fernsehprogramme, desto größer der Stress. Wir umgeben uns immer mehr mit technischen Geräten, die uns angeblich Zeit sparen und besser kommunizieren lassen. Tatsache ist aber, dass das Niveau der Kommunikation durch Mail, SMS, Messenger und Facebook oftmals so gering ist, dass man nicht mehr von wirklicher Kommunikation sprechen kann, da auf der emotionalen Ebene nichts mitgeteilt und verarbeitet wird. Smilies sind kein Ersatz für wirkliche Emotionen. Da wir zu 70% nonverbal kommunizieren, ist auch das telefonieren weniger gut geeignet um Emotionen abzubauen.

Wer in der Freizeit nichts als Langeweile erlebt, kann diese Emotion natürlich auch am Arbeitsplatz nicht abbauen. Daher ist es sinnvoll seine Freizeitaktivitäten zu überprüfen und sich zumindest im Bereich Hobby, Sport, Familie und Freundeskreis interessante Ziele zu setzen. Ziele zu haben und sich auf den Weg der Zielerreichung zu machen, macht erwiesenermaßen glücklich. Wenn man am Arbeitsplatz keine Möglichkeiten der Verbesserung hat, muss unbedingt der Freizeitbereich angekurbelt werden, damit man zumindest etwas hat, worauf man sich freuen kann – 8 Stunden lang.



Praxis für Leistungscoaching und Mentaltraining
Thomas Pfitzer
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