Spiritualität und Naturwissenschaft – Gott und Gehirnforschung
Oder:
„Gott“ ist ein Konzept des menschlichen Gehirns
Andrew
Newberg, Radiologe an der University of Pennsylvania in Philadelphia
wagt einen Brückenschlag zwischen Naturwissenschaft und
Spiritualität.
Der
junge Arzt, selbst religionslos, sagt, dass sein Engagement dem
Forschertrieb und einem Faible für Philosophie entspringt.
Und
so sieht die Versuchsaufstellung aus: ein meditationserfahrener Mann
hat in seinem linken arm eine Kanüle ein dünner Schlauch führt
unter der Tür hindurch in ein Nachbarzimmer.
Dort
wartet Newberg darauf, dass er mittels eines Signals über einen
Baumwollfaden vom meditierenden das Zeichen erhält, dass der
Höhepunkt der Selbstversenkung erreicht ist.
Nach
etwa einer Stunde ist es dann so weit. Als Newberg einen Zug am
Baumwollfaden spürt, injiziert er eine sehr leicht radioaktive
Substanz in den langen Infusionsschlauch. Die strahlenden Moleküle
fließen in die Vene des Probanden und werden rasch in dessen Gehirn
weitergeleitet.
Dort
bleiben sie in den Zellen für mehrere Stunden aktiv - wobei die
Konzentration um so höher wird, je aktiver ein Gehirnteil ist. Nach
der Meditation wird die Versuchsperson mittels einer Spect–Kamera
(single-photon emission computed tomography) gescannt. Die Spect
rotiert um den Kopf des Mannes und zeichnet dabei die Verteilung der
Radioaktivität auf. Nach einer Stunde hat man einen "Schnappschuss"
der Gehirnvorgänge.
Mit
acht weiteren Meditierenden und drei betenden Franziskaner-Nonnen hat
Newberg mittlerweile den gleichen Versuch gemacht.
Die
Spect-Aufnahmen enthüllten bei allen deutliche Veränderungen. Ein
Areal im vorderen Stirnlappen leuchtete hell auf, eine Region im
Scheitellappen reduzierte ihre Aktivität.
Newberg
stellt folgendes Modell auf: Meditation beginnt mit dem Willen, alle
Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen auszuschalten. Die Konzentration
auf dieses Ziel regt die Neuronentätigkeit des
Aufmerksamkeitszentrums im Stirnbereich des Gehirns an. Dem
Hippocampus wird dadurch signalisiert den Zufluss neuronaler
Informationen zu bremsen. Durch diese Blockade wird ein Areal im
Scheitellappen zunehmend von neuronalen Impulsen abgeschnitten. Das
rechte Scheitelareal ist zuständig für unsere Orientierung im Raum.
Fehlen ihm die notwendigen Reize, ergibt sich ein „subjektiver
Eindruck völliger Raumlosigkeit“, den der Geist als unendlichen
Raum und als Ewigkeit interpretiert.
Das
analoge linke Hirnareal erzeugt eine Vorstellung von den Begrenzungen
unseres Körpers. Der Totalausfall von Signalen auf dieser Seite
bedeutet, dass "die Wahrnehmung von sich selbst grenzenlos
wird".
Dieser
Zustand könnte die mystischen Erfahrungen vieler Menschen erklären,
die das Gefühl der Verschmelzung des selbst mit der Welt, die
Auflösung von Zeit und Raum hatten; oder aus der Sicht eines
Buddhisten: das Nirwana erreichten. (Nirwana: „erlöschen,
erfassen, verwehen“ im Sinne einer Auslöschung aller mit der
Vorstellung vom Dasein verbundenen Faktoren, wie Ich-Sucht, Gier,
Verblendung).
Ähnliche
Phänomene kennen Christen wenn sie intensiv beten. Auch der Tanz der
Derwische führt zu diesem Trancezustand.
Die
scheinbare Auflösung der Körpergrenzen führt so zu einer
Vereinigung mit Gott - zu der in Theologie und Philosophie viel
diskutierten „unio mystica“ (eine Erfahrung, bei der das
Alltagsbewusstsein eines Menschen überschritten wird und eine
besondere dauerhafte Einsicht in eine, wie auch immer geartete
gesamtheitliche Wirklichkeit erlangt wird – Zitat Wikipedia).
Newberg:
„Wenn ein Mensch die Erfahrung der Gegenwart Gottes macht, kann ich
sagen, was dessen Gehirn dabei tut; aber ich kann nichts darüber
aussagen, ob dieser Mensch sich wirklich in Gottes Gegenwart
befindet."
Der
Radiologe betont, er habe hier den Nachweis, dass die diversen
Beschreibungen spiritueller Erlebnisse "kein Ergebnis
emotionaler Defekte oder schlicht Wunschdenken sind", keine
mentalen Ausgeburten von Sonderlingen, sondern "biologisch
real". Er sagt weiterhin: „Unser Gehirn ist durch seine
Architektur prädestiniert für solche Erfahrungen“.
Folglich
ist „Gott“ ein Konzept unseres Gehirns – oder „nur“ ein
Konzept unseres Gehirns?
Darüber
könnte man meditieren...
Thomas
Pfitzer
Autor
und Coach
Praxis
für Leistungscoaching und Menaltraining
Ludwigshafen
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